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Die perfekte Kurve

Die perfekte Kurve

In atemberaubender Schräglage durch jede Kurve schneiden, mit dem Knie am Boden schleifen und dabei am besten noch lässig mit einer Hand grüßen, davon träumt so mancher Motorradenthusiast. Doch auch wenn solche Manöver eher den Profis vorbehalten sind, Kurvenglück können und sollten wir alle lernen!

Schräglage in der Kurve kommt nicht von alleine, man muss sie trainieren. Was bei den Moto GP-Piloten im Fernsehen so herrlich einfach aussieht, ist in Wirklichkeit das Ergebnis langer, harter Arbeit. Ich selbst fahre inzwischen seit über 15 Jahren Motorrad. Angst hatte ich nie, aber echte Fahrpraxis? Fehlanzeige! Vielleicht weil mein Vater früher Motorradrennen gefahren ist und mich dieses Thema meine ganze Kindheit über begleitet hat, irgendwann war klar: Ich will auch Motorradrennen fahren, mein körperliches und geistiges Limit kennenlernen, es immer wieder von mir weg schieben, immer wieder den Spielraum erweitern, schneller, schräger, schöner. Nachdem ich sämtliche Fahrsicherheitstrainings beim ADAC einmal durch hatte, ging es endlich auf die Rennstrecke. Instruktor-Training und freiem Fahren folgte 2018 endlich mein erstes Rennen beim Built not Bought-Motorradfestival auf dem Spreewaldring bei Berlin. Im Fahrerlager übernachten, zwischen den Trainingsläufen nochmal schnell die Bedüsung am Vergaser ändern und das prickelnde Adrenalin genießen, das überall in der Luft liegt, ist einfach unbezahlbar. Genauso wie der Moment, wenn man mit dem Knie zum ersten Mal den Asphalt berührt.

Einmal Himmel und zurück

Als ich zum ersten Mal in einer Kurve mit dem Knie über den Asphalt streifte, dachte ich: Oh mein Gott, das muss er sein, der Himmel.“ Ein Gefühl höchster Glückseligkeit breitete sich in meinem Körper aus wie warmes, flüssiges Gold. Die perfekte Kurve: Ekstase, Vollkommenheit, jeder Bremspunkt wo er hingehört, jeder Lastwechsel purer Einklang von Mensch und Maschine. Ich war mein Motorrad und mein Motorrad war ich. Und dann flog ich. Plötzlich durch die Luft. Mein Hintern wurde leicht, ich spürte, wie mein Körper durch die Luft segelte und mit dem scheußlichsten Knall den ich je gehört habe, schlug mein Hinterkopf im Asphalt ein. Nach einigen Überschlägen wurde ich, auf den Knien sitzend, vom Sand der Auslaufzone gestoppt. Das Schwarz vor Augen, auf das ich wartete, kam nicht. Also hochrappeln, raus aus der Gefahrenzone und auf den Schandwagen warten, der mich samt lädiertem Motorrad von der Strecke schaffte.

Bis heute weiß ich nicht, was den Sturz ausgelöst hat. Der Turn war abgewunken, es war also die Auslaufrunde. Auf einem völlig geraden Stück Strecke begann meine Maschine plötzlich zu schlingern und warf mich ab wie ein bockendes Pferd. Es folgte ein Nachmittag im Krankenhaus, zum Glück ohne ernsten Befund. Das Angebot, eine Nacht zur Beobachtung zu bleiben, lehnte ich dankend ab. Hauptsache so schnell wie möglich wieder fahren um mein Sturzerlebnis aus dem Kopf zu bekommen. Für den nächsten Tag musste ich mir ein fremdes Motorrad leihen, meines war ja Schrott. Aber egal! Hauptsache fahren. Nicht die Angst siegen lassen, dass ich jederzeit wieder aus unerklärlicher Ursache durch die Luft fliegen könnte.

Alles auf Anfang

Ich glaube, nicht einmal in meiner ersten Fahrstunde bin ich so schlecht gefahren. Mein Körper, Arme, Nacken, Kopf, alles fühlte sich wie versteinert an. Keine geschmeidigen Bewegungen, null Vertrauen in das fremde Ding unter mir und immer die Angst, ich könnte jeden Moment wieder abgeworfen werden. Ein ganzes Jahr, mehrere Trainingsläufe- und Rennen und viel gute Zusprache von Rennfahrerkolleginnen- und Kollegen brauchte es, bis ich in etwa wieder dort war, wo ich einen Blick auf den Himmel erhascht hatte. Aber ich halte seitdem einen sicheren Abstand und mein Knie hat bis heute nie wieder den Asphalt berührt, obwohl ich es mir so sehr wünsche. Was habe ich bei diesem Sturz verloren und wie kann ich es wieder zurück gewinnen? Was ist es, das beim Motorradfahren darüber entscheidet, ob wir Perfektion erreichen oder uns mit steifen Gliedern von Kurve zu Kurve quälen? Wie können wir Körper und Geist gezielt trainieren, damit wir uns von unserer gewohnten Wahrnehmung eines aufrecht gehenden Zweibeiners verabschieden können um stattdessen unsere Wohlfühlzone in der maximalen Schräglage zu finden?

Wie lernt man eigentlich Schräglage?

Um erfolgreich lernen zu können, brauchen wir ein Feedback. Jemanden der sagt: „Das ist gut, mach weiter so“. Es geht darum, Unsicherheit zu verringern. In der Kurve fühlen wir uns unsicher, weil wir nicht wissen, wie schräg unser Motorrad tatsächlich ist. Da unser Gehirn nicht für Schräglage ausgelegt ist, muss sich unsere Wahrnehmung erst umstellen. Gar nicht so einfach, da sich schon geringe Schräglagen beim Fahren anfühlen, als würde man gleich umkippen. Insbesondere, wenn man schon einmal grundlos vom Motorrad katapultiert wurde. Ideal, so meine Überlegung, wäre also ein Gerät, das mir beim Fahren Feedback gibt, ob ich noch Reserven habe oder mich am Limit bewege, ohne dass ich mich nicht nur auf mein Gefühl verlasse muss. Nach kurzer Recherche wurde ich fündig: So ein Gerät gibt es tatsächlich, mit dem passenden Namen kurvX. Ein kleiner, am Motorradlenker befestigter Helfer, der in jeder Sekunde die exakte Schräglage des Motorrades misst und dem Fahrer per Gradanzeige und Lichtsignal zeigt, wie viel Spielraum die Maschine noch hat bis es am Reifen „eng“ wird.

Schräglage ist pures Glück, das man lernen kann

Der kurvX schien mir das ideale Gadget zu sein, um Schritt für Schritt zu analysieren, wo bei mir der Hund begraben ist. Ich besorgte mir also ein Test-Kit direkt beim Hersteller x-log in München und schon ging es wieder auf den Spreewaldring. Die Montage des Kurvenmessers gestaltet sich einfach im Cockpit meiner alten Yamaha SR 500, ein Motorrad vom alten Schlag: ohne Blingbling, ohne ABS, ohne Traktionskontrolle, Ganganzeige oder ähnliches. Die einzigen Messgeräte sind Drehzahlmesser und mein Popometer und jetzt auch kurvX. Mittels Smartphone-App wird er kalibriert und auch bedient.

Vor der ersten Fahrt werden der Maximalbereich sowie der Warnwert eingestellt. Überschreitet man diesen Warnwert beim Fahren, blinken die gelben LEDs des kurvX. So weiß man, dass man sich nun seinem Grenzbereich nähert, aber eben immer noch im sicheren Bereich ist. Je schräger die Maschine, desto intensiver das Blinken. Schritt für Schritt kann man sich so aus der Komfortzone heraus in Richtung Grenzbereich tasten. Das permanente Feedback des kurvX gibt Sicherheit und man lernt Kurve für Kurve, das Körpergefühl in Schräglage zu genießen und seine Wahrnehmung mit den übermittelten Informationen in Einklang zu bringen.

Freundschaft auf den zweiten Blick

Dass da plötzlich jemand „mitfährt“, hat mich zunächst sehr irritiert. Beinahe wäre ich rausgefahren um den blinden Passagier los zu werden, aber ich hab es mir verkniffen. Sobald der Turn beendet war und meine Maschine wieder stand, zerrte ich mein Handy aus dem Lederkombi. Neugierig war ich schon, was die kurvX-App aufgezeichnet hat. Und siehe da: ein neongrüner Graph mit ziemlich hoher Amplitude leuchtete mir vom Display entgegen.

Die App zeigt mir, wo ich noch Luft nach oben habe

Überrascht sehe ich im Kurven-Diagramm meiner Fahrt, dass ich sowohl in den Links- als auch in Rechtskurven die gleiche Schräglage erreicht habe. Gut zu wissen, denn ich dachte immer, mir würden die Linkskurven besser liegen als die Rechtskurven. Und auch mit meiner maximalen Schräglage bin ich sehr zufrieden: 53 Grad sind auf einem alten Motorrad mit verhältnismäßig schmalen Reifen durchaus respektabel, fehlt nicht mehr viel zu den 62 Grad der MotoGP-Jungs. Die spitze Ausschläge im kurvX-Kurvendiagramm bedeuten enge Kehren mit hartem Abbremsen und anschließendem Beschleunigen, die weniger spitzen Graphen bedeuten, eine Kurve mit ruhigem Schwung durchfahren. Ich bin zufrieden mit mir.

Schräglage ist keine Frage der Coolness, sondern der Sicherheit

Für uns Motorradfahrer sollte Schräglage nicht nur eine Frage der Coolness sein, sondern vor allem der Sicherheit. Der Grund ist einfach und reine Physik: Die Fliehkraft schiebt das Motorrad in der Kurve nach außen, wenn kein Gegengewicht nach innen wirkt. Würden wir also aufrecht sitzen bleiben ohne die Geschwindigkeit zu drosseln, würden wir in einer Kurve einfach geradeaus fahren. Je schneller wir also eine Kurve durchfahren wollen, desto tiefer müssen wir uns in die Kurve „legen“. Beim Fahren mit kurvX bekommt man direkte Informationen über Schräglage, Kurvenlinie und Rechts- Links-Stärken. Dabei kommuniziert kurvX über sein Display ohne abzulenken. Das Vertrauen in das eigene Können und in die Maschine wächst nach und nach. So kann man so seinen persönlichen Fahrstil präzise und kalkuliert weiterentwickeln. Messen statt fühlen, heißt beim kurvX die Zauberformel. Das Gerät misst die komplette Fahrdynamik in allen drei Raumdimensionen in Echtzeit und gibt daher nicht nur einen momentanen Durchschnittswert sondern die tatsächliche Schräglage an jedem Punkt der Strecke wieder.

Wie geht es weiter mit uns?

Den großen Auftritt hat der kurvX bei mir erst, wenn der Motor wieder aus ist. Dennoch ist das Fazit für mich klar: kurvX ist ein idealer weil unauffälliger und unvoreingenommener Begleiter, mit dem ich meine Schräglage spielerisch bei jeder Fahrt trainieren kann. Und er gibt mir die Sicherheit zurück, die ich bei meinem desaströsen Sturz verloren habe. Mein neuer Freund kurvX wird mich deshalb sicher noch oft auf der Rennstrecke begleiten und ich hoffe, dass er mir dabei hilft wieder ganz „nach oben“ zu kommen.

Über die Autorin:
Pia „Motorella“ von Motorella Art ist Fotografin, Journalistin und leidenschaftliche Hobby-Rennfahrerin. Altes Eisen muss es sein, kein Blingbling, kein ABS, keine Traktionskontrolle, Ganganzeige oder ähnliches. Nur Mensch und Maschine. Mit Kamera und Motorrad ist sie auf Motorrad-Festivals in Deutschland und Europa unterwegs und zeigt mit ihren Bildern ein ums andere Mal, warum wir uns ein Leben ohne Motorräder nicht vorstellen könnten.

Weitere Informationen findet Ihr auf www.motorella.art sowie Facebook und Instagram: @motorella.art

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Pia „Motorella“ | Motorella Art | November 2020