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Italienischen Motorrädern gehört mein Herz

Italienischen Motorrädern gehört mein Herz

Italienischen Motorrädern gehört mein Herz! Warum das so ist? Ganz einfach! Mit 15 brauchte ich ein Mofa, um in die Schule zu kommen. Dass es ausgerechnet eine italienische Moto Demm „Scout“ werden sollte (das Teil kennt heute kaum einer mehr), war eine Vernunft- bzw- Geldbeutel-Entscheidung. Denn die Demm wurde damals in den Großmärkten zum Ramschpreis von nicht Mal 400 DM verkauft − “Cool” war aber was anderes. Das war mir aber egal. Denn als sie in Vadders Garage stand, habe ich sofort angefangen, sie umzubauen (ohne viel Ahnung zu haben …). Schon nach einer Woche war sie nicht mehr wieder zu erkennen. Mit Wasserrohren, zur Verlängerung der Gabel, und Teilen von einem Bonanza-Fahrrad habe ich das Mofa zu einem „TÜV-gerechten“ Chopper umgebaut. Mit allem Drum und Dran. Sogar an eine Sissybar und eine Tankbemalung hatte ich gedacht – ein echter Burner!

Ein Jahr war ich mit dem Teil unterwegs. Dann habe ich sie verkauft. Der nächste 15jährige “Möchtegern Peter Fonda” hat sie damals bekommen. Die Demm war übrigens der einzige Chopper, den ich je selber gefahren bin, bzw. den ich gebaut habe.

Denn bereits mit 16 hatten es mir Café Racer angetan. Das war damals einfach so. Wenn man zu jener Zeit Sport- oder Rennmaschine sagte, war immer ein Café Racer gemeint. Mein Yamaha RD 50 Kleinkraftrad blieb daher auch nicht lange original. Magura-Lenker, Halbschale und Höcker waren die üblichen Attribute, um aus biederen KKRs reinrassige Streetracer zu bauen. Diesmal hatte übrigens alles TÜV, schließlich hing ja ein „großes“ Nummernschild am Heck. Ach ja − Schnell waren die KKRs auch – 100, manchmal 110 waren allemal drin. Trotzdem ging es mit 18 gleich weiter.

Den Motorrad-Führerschein hatte ich zwei Tage nach meinem 18. Geburtstag in der Tasche – aber kein Geld mehr, obwohl der Führerschein mich damals keine 500 Mark gekostet hatte (Anfang der 80er ein Vermögen!!). Aber meine Eltern verlangten von mir, dass ich was „Anständiges“ lernen soll, ich aber vorher noch Abi machen muss. Der Autorität meines Vaters kam ich nicht aus. Also Abi gemacht und nebenbei gejobbt. Möbel schleppen, Teppichlager einräumen, Wohnungen und Gartenzäune malern, beim Bau gearbeitet. Alles „Schülerjobs“. Zu der Zeit hat keiner nach Arbeitsschutz geschrien … Ach – und dann noch Militär … (aber das lassen wir hier mal). Jedenfalls hatte ich dann irgendwann eine RD 250, deren Motor mir auf der Stuttgarter Autobahn schon bald bei Vollgas um die Ohren flog. Dann hatte ich die Schnauze voll von 2 Takt-Rennhobeln. Es folgte ganz schnell eine Suzuki GS 400 E, die mich schon bald ganz fürchterlich langweilte. Kaum Sound, kein Abzug und ständig Kette schmieren. Nur ihre Optik war schön. Klassischer Twin mit Eiertank und Heckbürzel. Auch nach Frankreich hat sie mich zuverlässig getragen. In einem Rutsch 1300 Kilometer, um auf einem Camping-Platz in Frejus am schönen Mittelmeer mein Traummotorrad zu sehen. Eine Moto Guzzi Le Mans. Die hatte Sound, einen geilen V2 und eine schöne Optik – Kurz – sowas musste her. Also wieder Job gesucht bis die Kohle gepasst hat. Es hat aber damals „nur“ für eine V 75 Monza von Agostini gelangt. Das Teil stand in Mailand. Kurz entschlossen bin ich hingefahren, hab mich verliebt, sie gekauft, nach Deutschland gebracht und schließlich noch TÜV gemacht. Und das alles ohne Internet und Handy! Das war zwar ein ziemlicher logistischer Aufwand, hat aber Dank Wahlscheiben-Telefon, Telefonzellen am Straßenrand und netten Mitmenschen auch ganz reibungslos geklappt.

Obwohl ich endlich stolzer Besitzer einer Guzzi war, kam schnell die Ernüchterung. Die Monza war ziemlich Schrott und brutal runter geritten. Kardan-Abriss, zwei Ventilrisse, Lagerschaden usw. Zu jener Zeit war ich Stammkunde bei Gawa-Motor in Saarbrücken ….

Um dem finanziellen Desaster zu entgehen, blieb nur eines: Ich musste besser Schrauben lernen, um die „Guzzicke“ gründlich zu überholen! Abi hatte ich ja, Militär auch und Studium noch nicht angefangen. Also ein Handwerk lernen. Am besten Motorrad-Mechaniker. Ich hatte das Glück, dass damals zu Beginn der 1980er Jahren Fritz Lottmann, „der“ BMW-Guru, jemanden für seine Werkstatt gesucht hat. Es kam wie es kommen musste und so verbrachte ich die nächsten Jahre bei ihm. Er brachte mir wirklich alles über Motorräder bei (Danke Lottmann). Sogar an Wettbewerbs-Motorräder, wie die berühmten Paris-Dakar-BMWs schraubten wir zwischen 1984 und 1986. Hier haben wir dutzende Renn-Motoren aufgebaut. So lernte ich an diesen Teilen, was Tuning und Qualität wirklich bedeutet. Nicht Spitzenleistung, sondern Durchhalten bei Volllast, und das über Stunden. Auch meine Guzzi profitierte davon! Denn sie hat in den nächsten vier Jahren alles, was die BMW-Dakar- Motoren bekommen haben, auch spendiert bekommen. Bis heute läuft sie störungsfrei und hat weit mehr als 100000 Kilometer runter! Mit ihr bin ich dann auch kreuz und quer durch Europa gefahren. Bis auf abgerissene Kupplungs- und Gaszüge, ein paar Stürzen und die üblichen Wartungsarbeiten, völlig problemlos.

Dann kam das Studium. Nebenbei arbeitete ich jedoch immer noch bei Lottmann, um mir mein Studium zu verdienen. Nix BAföG oder reiche Eltern! So war ich dann auch der einzige im Studium, der mit schulterlanger „Matte“, Dschingis Kahn-Schnauzer, schwarzen Ölrändern unter den Fingernägeln, hautengen ausgewaschenen T-Shirt, Röhrenjeans, Cowboystiefeln und nietenbesetzter Erdmann-Lederjacke im Vorlesungssaal saß. Und war ich da schon ein Außenseiter zwischen den geschniegelten Jungs und Mädels wurde ich es erst recht, weil ich als einziger der Studierenden eine fette Guzzi vor der Uni-Tür stehen hatte. Ach ja – „der Studierende“ von damals fuhr standesgemäß Vespa-Roller. Das einzig Revolutionäre an diesen Teilen, waren meist die Pril-Blumen und “Atomkraft-Nein-Danke”-Aufkleber auf dem Beinschild. So wundert es nicht, dass mir diese Fahrzeuggattung, zumindest zu dieser Zeit, nicht gerade sympathisch war …

Ich war schon längst fertig mit der Uni, als ich immer noch gelegentlich bei Lottmann an der Werkbank stand. Ich suchte wieder mal Arbeit – sowas mit Perspektive, denn schließlich hatte ich jetzt Verantwortung für meinen Sohn, der zu jener Zeit auf die Welt gekommen war! Zur Überbrückung, und damit Kohle floss, schraubte ich dann an allem, was mir angeboten wurde, tunte Mofas, Roller (!), Rasenmäher, Modellflugzeuge und Autos und war sogar, nebenbei, Dozent an der TU-München (mit Hungerlohn). Ich war wohl damals der einzige Dozent, der mit Erdmann-Lederjacke Vorlesungen hielt …

Nach ein paar weiteren beruflichen Ausflügen, auch im Ausland, erhielt ich dann eine Anstellung als Konservator am Deutschen Museum in München. Da habe ich längst nicht mehr bei Lottmann gearbeitet. Meine Berufspraxis als Motorradmechaniker, in Kombination mit meinem Studium, hatte ich diesen Posten zu verdanken. Fortan sollte ich mich hauptsächlich nur noch mit Motorädern und so nebenbei, mit der Restaurierung aller Objekte des Deutschen Museums beschäftigen. Später war ich dort auch für die Abteilungen Fahrräder, Rennfahrzeuge und Kutschen (!) zuständig. Dann kam noch das Verkehrszentrum, der Ableger des Deutschen Museums auf der Theresienhöhe, hinzu. Hier war ich für die Planung der Halle 3 zuständig (natürlich auch hier Rennsport und Motorräder). Doch hauptsächlich war ich mit der Restaurierung der Museums-Objekte beschäftigt. Ich musste die Restaurierungen planen, wissenschaftlich betreuen, mit den Werkstätten des Deutschen Museums die Vorgehensweise und Restaurierungsethik besprechen und die Ergebnisse überwachen. Ein spannender Job, bei dem ich sehr viel gelernt habe.

Nach fünf Jahren war dort aber Schluss. Zeitvertrag! Egal – ein bekannter Technikverlag hatte bei mir schon während der Museumszeit angefragt, ob ich denn Artikel für sie schreiben könnte. Klar konnte ich. Kurzerhand machte ich mich selbstständig und wurde Autor und Redakteur. Seitdem schreibe ich fleißig Motorrad-Artikel für diverse Zeitschriften. Aber auch über Traktoren, Lkw und Autos berichte ich regelmäßig. Kurzum über alles, was Räder hat und Lärm macht. Nebenbei stehe ich aber noch immer in der Werkstatt, weil ich im Herzen Handwerker bin. Übrigens jetzt in meiner eigenen Werkstatt und in denen meiner Freunde. Das bringt der Job mit sich. Denn ich bin der Meinung, man kann nur was in Artikeln erklären, wenn man es auch selbst zerlegt und wieder zusammengebaut hat, oder zumindest dabei war − alles andere wäre gelogen. Dann unterstütze ich noch Firmen mit meiner Erfahrung, wie zum Beispiel x-log, wenn deren Kunden Fragen zum synX haben. Aber auch Privatpersonen, wenn sie Hilfe brauchen bei Restaurierungen oder beim Kauf von Oldtimern, können auf mich zählen.

Seit einiger Zeit bin ich jetzt auch auf YouTube. “Mose´s Classical Workshop” heißt mein Kanal. Dort berichte ist regelmäßig aus meiner eigenen Werkstatt, aber auch aus denen meiner Freunde, beschreibe Motorräder (vor allem Italienische. Alle anderen sind übrigens auch spitze! − sogar die aus Ami-Land …) oder gebe Technik-Tipps. Jetzt muss der Kanal wachsen. Und warum Mose? Das ist mein Spitzname aus Rockerzeiten und spricht sich „Moos“. Mehr muss ich nicht sagen … Wie ich damals aussah (und vielleicht auch heute noch aussehe – zumindest manchmal), habe ich ja oben beschrieben.

Der Youtube-Kanal ist übrigens auch eine Folge der Corona-Krise. Da war nix mit Arbeiten! Kontaktsperre und so … Nicht gerade förderlich, wenn man mit Menschen zusammenarbeitet. Aber irgendwas wollte – oder besser – musste ich machen, um nicht nur stumpf in die Röhre zu glotzen oder mit dem Handy zu daddeln… So kam der Kanal zustande. Mal sehen, wie er sich entwickelt und wie es dort weitergeht.

Zurzeit hole ich verlorene Kilometer nach und fahre Motorrad, wann immer es geht. Am liebsten mit ´ner echten V2. Denn Motorradfahren bläst einem das Hirn frei, schafft so klare Gedanken und hilft einem sich abzukühlen, wenn man mal wieder am Kochen ist …

Marcel Schoch | synX Fachbeirat, Fachjournalist & Autor | August 2020